Amerika Road Trip – Unterwegs im Land der Vorurteile

Unseren Amerika Road Trip kann man gerne unter dem Motto führen: „Sie waren jung und wussten nicht was sie tun“. Aber genau deshalb war es auch der ultimative Trip durch ein Land, wie es nicht skuriller, außergewöhnlicher und abgedrehter nicht sein kann!image-2015-09-01(3)Ich hatte Flüge nach Orlando gewonnen, meinen besten Freund im Gepäck und wir waren nahezu ohne Vorbereitung nach Amerika gestartet. Kurz hatten wir uns mal zusammengesetzt und 3 Punkte festgelegt, die wir ansteuern wollten. Wir haben die Motelpreise an unserer ersten Station gecheckt und den Mietwagen gebucht. Klar war auch: keine Vergnügungsparks.image-2015-09-01(33)Und da standen wir nun im großen Amerika was wir Beide nur aus dem Fernsehen kannten. Keine Vorstellung hatten wir, was uns hier wirklich erwarten würde. Ich ging davon aus, dass die Läden 7 Tage in der Woche für 24 Stunden geöffnet haben, das Klamotten spottbillig sind, alle sexy Victoria Secret Unterwäsche trugen, es überall diese coolen American Diner im Stil der 50iger gibt und an jedem Stadtrand ein Open Air Kino. Die Realität war eine völlig Andere.image-2015-09-01(10)Schon am ersten Tag den wir spät ankamen scheiterten wir daran etwas zu Essen zu bekommen. Supermärkte geschlossen & American Diner ab 22 Uhr im Feierabend. Am nächsten Morgen dann sollten sich zumindest unsere Shoppingträume erfüllen. Wir fuhren die nächste Mall an. „Nicht mehr als 300 EUR, hörst Du?“ – ich bat Tom auf mich aufzupassen, falls ich dem Shoppingrausch total erliegen sollte. Erste Station der Victoria Secret Store, der für mich der Inbegriff von sexy Unterwäsche, Männerträumen und schöner Frauen war. image-2015-09-01(2)Voller Vorfreude stoppte ich am ersten Auslagetisch, griff nach einem „Höschen“ und dachte, ich muss im falschen Film sein. Statt winzigem Stringtanga hielt ich einen monströsen beigen Schlübba in der Hand, der die Dimensionen hatte, auf einen Elefantenhintern zu passen! Der Alptraum an geschmackloser Unterwäsche setzte sich fort. Völlig verstört verließ ich den Laden. Anscheinend ist die Verkaufsware eine auf die Amerikanerin angepasste und nicht die, die auf dem Laufsteg gezeigt wurde. Genau 18 Dollar hab ich nach einem Tag in der Mall ausgegeben, denn spottbillig wie gedacht, war es dort nicht. Tom gings ähnlich und damit war das Thema Shoppen & Victoria Secret in Amerika für uns gestorben.image-2015-09-01(31)Wir rollten raus aus der Stadt und unser Ziel war die Westküste. An jeder Ampel bestaunten wir den Verkehr, die riesigen Autos, typische Schulbusse und überdimensional große US-Flaggen. Ich kam mir vor wie in einem Road Movie! „Guck mal, die sitzen auf der Ladefläche des Pickups!“ Selbst so eine Kleinigkeit hatte einen „Wow-Effekt“. Wir kannten es ja nicht und hielten es für die große Freiheit.image-2015-09-02(1)Die Highways waren breit, die Lastwagen riesig, die Sonne schien, wir hatten die Musik laut aufgedreht und unsere Highlights waren nicht Museen, Schlösser oder Plätze, sondern der ganz normale amerikanische Alltag.image-2015-09-02(8)Wir liebten es durch die Supermärkte zu schlendern und all diese überdimensional, großen Verpackungen aus den Regalen zu ziehen. XXXXL Gatorade, XXXXL Baguette, XXXXL Chipstüte – alles schien hier größer zu sein als im Rest der Welt und wir hatten einen Heidenspaß daran, diese neue Welt für uns zu entdecken.image-2015-09-01(6)Unser erstes geplantes Etappenziel führte uns nach Caladesi Island, denn ich wollte im glasklaren und wunderbar warmen Wasser des Golf von Mexico paddeln gehen. Gesagt getan! Wieder große Augen beim Anblick der ersten Pelikane und zwei im Wasser turtelnden Rochen. War das schön hier! Ich hatte noch nicht viel gesehen außerhalb von Europa und war von allem schwer beeindruckt.image-2015-09-01(18)Am Ende eines wunderbaren Tages galt es ein Motel für die Nacht zu finden. Wir kannten die Preise von Orlando, nicht aber die von der Westküste und so wurde unsere Suche bald zum Spießrutenlauf. Zu teuer, zu laut, zu dreckig… Kakerlaken die quer über die Wand liefen. Darauf war ich auch nicht eingestellt. Nach Stunden beschlossen wir, uns stattdessen in einem Hotel einzubuchen und uns von dem Schreck erstmal zu erholen.image-2015-09-02

11 Tage waren wir in Florida unterwegs und das Moteldilemma setzte sich fort. Jeden Tag waren wir über Stunden damit beschäftigt eine bezahlbare & saubere Unterkunft zu finden, die uns Beiden passte. Eigentlich verschenkte Urlaubszeit, aber irgendwie gehörte es zum Erlebnis „Amerika“ auch schon wieder dazu.image-2015-09-01(26)Wir fuhren die Westküste runter in Richtung Everglades, spielten Volleyball mit Einheimischen am Strand von Clearwater, aßen Riesenburger in Fort Myers und schlotzten das leckerste Eis „ever“ in Naples. Der Weg war das Ziel und Freiheit unser Begleiter, so rollten wir den Krokodilen entgegen, auf die ich schon sehnsüchtig wartete.image-2015-09-01(9)In den Everglades angekommen überredete man uns zu einer Sonnenuntergangstour, bei der man mit etwas Glück sogar Delfine springen sehen konnte. Ich war Feuer & Flamme. Nach 2 Stunden, die die Fahrt gedauert hatte, habe ich zwar einen tollen Sundowner gesehen, aber keinen Delfin und erst Recht kein einziges Krokodil! Ich ging davon aus, dass die Everglades das Mutterland dieser urzeitlichen Tiere sind. Das sie hier fast schon gestapelt an den Stränden zwischen den Mangroven rumlungern würden. Aber nichts! Nicht ein Krokodil zeigte sich.image-2015-09-01(19)Dafür Trilliarden von Mücken, als wir wieder unser Auto erreichen. Ich werde nie die schwarze Wolke an der Tankstellenleuchte vergessen und auch nicht die 10 Meter lange Theke voll von Insektiziden. „Nein, hier bleiben wir keine einzige Nacht!“ Nächstes Etappenziel waren die Key Islands. Doch noch stand uns eine lange Fahrt durch die Dunkelheit und auf schnurgerader Straße bevor.image-2015-09-01(32)An der Ostküste angekommen und eigentlich hundemüde fiel mir ein Casino auf. Das hatten wir bisher auch vermisst. Ein wenig quengeln und umziehen auf dem Parkplatz war schon nötig, um Tom zu einem Besuch zu überreden. ABER Amerika war auch das Land des Glücksspiels und das durfte ich mir natürlich in keinem Fall entgehen lassen. Wie toll muss das sein, in prunkvollen Sälen zu wandeln, all die reichen & schönen Menschen zu bewundern und dann gleich noch aus 50 Dollar die Wahnsinnsumme von 5.000 Dollar zu erspielen. Ja, ich war voller Erwartung als sich die Türen öffneten.image-2015-09-01(29)Doch noch im gleichen Moment überkam mich Ernüchterung. Stumm und mit großen Augen wandelten wir durch einen riesigen geschmacklosen Saal, vollgestopft mit Menschen und Maschinen. Ein Spielautomat neben dem Anderen. Davor lauter verkrachte Existenzen. Der Bauerbeiter in seiner Arbeitskleidung, die Oma in ihrem Kittelchen oder die Hausfrau gleich im Schlafanzug. Die Menschen hingen an den Automaten als seien sie ihre letzte und einzigste Hoffnung. „Bring mich hier raus“ flehte ich Tom an. Aus der großen Quengelbacke war ein eingeschüchteres Mädchen geworden, so enttäuscht war ich von diesem Anblick. Auch dieses Casinos war so fernab der Hollywoodromantik die ich seit Oceans Eleven damit verband.image-2015-09-01(24)Dafür waren die nächsten Tage um so schöner, denn es ging auf die Florida Keys. Umgeben von türkisblauem Meer hüpften wir von Insel zu Insel, bestaunten schicke Yachten, schnelle Motorboote und Jetskys.image-2015-09-02(2)In Key West angekommen fanden wir eine schöne Bleibe und freuten uns schon auf den Abend mit Dosenbier und Chill-Out-Mucke am Meer. Nachdem wir das hippe Key West für uns erkundet hatten und zurück in unserem Motel waren, dann allerdings die Ernüchterung. Es herrschte Ebbe, also saßen wir statt am rauschenden Meer nun am schlammigen Tümpel. image-2015-09-01(22)Aber es spielte keine Rolle, denn wir hatten uns. Und wir wären nicht wir gewesen, wenn nicht auch ein staubiger Randstein oder ein Platz an einer matschigen Pfütze nicht cool gewesen wären. Es war schlicht egal, was um uns war. Gute Freunde machen sich ihre Welt eben schön und so lachten wir über das fehlende Meer.image-2015-09-02Unsere Tour näherte sich dem Ende und unser Flieger sollte von Miami aus starten. Nachdem wir von Shopping & Großstädten schon am ersten Tag geheilt waren planten wir keine große Tour mehr durch die Stadt. Aber zunächst mal galt es, das angepeilte Motel finden.image-2015-09-02(4)Die Straße hatten wir sehr schnell gefunden, die Hausnummer war uns entfallen. „Wie lang kann eine Straße schon sein? Da findet man seine Unterkunft bestimmt ganz leicht.“ Weit gefehlt. Auch Straßen haben hier eine andere Dimension und so fanden wir uns in einem Stadtteil wieder, welchen man gut und gerne als „dodgy“ (schmuddelig) bezeichnen könnte. „Hier muss es doch sein.“ „Warte ich schau doch noch mal in den Unterlagen“ – also hielten wir.image-2015-09-02(3)Allerdings nur unter der Prämisse „Du gibtst Gas ohne zu fragen warum, wenn ich Dir das Signal dazu gebe!“ Mir war die Gegend absolut suspekt & ich wollte nicht in eine Schießerei verwickelt werden. Wie aus einem schlechten Hip Hop Video sah es hier aus. Aufgemotze Karren, runtergekommene Häuser, gepimte Tussis und Typen mit Goldkettchen.image-2015-09-02(6)Und während wir da so am Straßenrand standen tauchte plötzlich und unvermittelt eben so ein „Hip Hopper“ an meinem Fenster auf. Rabenschwarz, viel zu große Klamotten, über und über mit schweren Goldketten und Anhängern behängt und grinste mich an. Mit breit geöffnetem Mund in dem auch alles golden glänzte! Ich werde dieses Bild nie vergessen. „So Tom, jetzt gibt doch bitte Gas!“ Besagter Moment war gekommen und ich sah wieder ein Vorurteil als bestätigt an. Bis heute schmunzle ich über diese Szene und meine Dorfkinddenke.image-2015-09-02(5)Den Abend verbrachten wir im angesagten Art Deco Virtel und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nur lauter schöne & hippe Menschen. Frauen mit XXL Brüsten, fahrende Beatboxen, Party an jeder Bar und nur gut gelauntes Partyvolk. Miami erfüllte mein Klischee der Stadt und wurde zum krönenden Abschluss einer Reise die so nie geplant war. Die aber genau deshalb so wunderbar war.image-2015-09-01(7)Sich treiben lassen, in den Tag hinein leben, unterwegs sein und entdecken, erleben und bestaunen – so lässt es sich wohl am Besten beschreiben. Der wichtigste Faktor bei einem Road Trip und das habe ich gelernt, ist der Mensch mit dem man reist. Denn der Urlaub findet im Auto statt. Die Chemie muss also stimmen, der Way of life muss passen und am besten auch der Musikgeschmack.image-2015-09-02(7)Wir haben gelernt, dass Vorurteile oft überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben und dann aber wieder auch zu 200% passen. Wir haben herausgefunden, das die Amerikaner unglaublich nette Menschen sind und wir haben uns verliebt in die Weite und Freiheit dieses Landes.

#danke

Ich möchte an dieser Stelle noch Tom danken für diesen wirklich außergewöhnlichen Trip, den ich sicherlich nie vergessen werde. Es war eine tolle Zeit und du hast sie so speziell gemacht! Danke auch für einen Teil des Bildmaterials!

image-2015-09-01(11)Und so sieht unser Trip auf der Karte aus!
#infoMit diesem Text nehme ich an der Blogparade von Oliver von Sinograph teil. Er fragt in die Runde: Vorurteilen: Was sind deine Aha-Momente?
Und auch andere Blogger haben sich Gedanken zu dem Thema gemacht. Schaut doch mal bei Ulrike vorbei und lest im LINK, welche Gedanken sie sich zu China macht.

 

4 Kommentare zu „Amerika Road Trip – Unterwegs im Land der Vorurteile“

  1. Das mit dem Shopping ging mir an der Westküste ganz genauso: Ich habe nichts, wirklich gar nichts gefunden und das obwohl wir in einer großen Mall unterwegs waren. Mein Freund hingegen ist aus dem Shopping Fieber gar nicht wieder rausgekommen – vertauschte Rollen sozusagen. 😉

    Herzlich,
    Anna

    1. Benutzer-Avatar

      Hallo Anna,

      lieben Dank für Deinen Kommentar hier. Es freut mich immer zu lesen, wenn es Anderen genauso ging wie mir. Schön, dass Du mir Dein Feedback geschrieben hast.

      Grüße Marlene

  2. Pingback: Blogparade zum Thema Vorurteile: Deine Aha-MomenteDer Sinograph

  3. An einigen Stellen musste ich doch schmunzeln, sie erinnerte. mich an unser erstes Mal in Florida. Viele Vorurteile sind damals geplatzt, viele schöne und einige weniger schöne Erfahrungen dazu gekommen. Trotzdem haben wir uns ind Florida und in die USA verliebt.

    Krokodile hatten wir aber in den Everglades mehr als genug, teilweise wirklich gestapelt neben dem Weg. Das war schon sehr beeindruckend.

    LG Thomas

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